Die Empörung nach den Enthüllungen um die Nazi-Mörder-Bande in Zwickau ist groß. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) kommt zu dem Schluss „als ob wir es tatsächlich mit einer neuen Form des rechtsextremistischen Terrorismus zu tun haben“. Angela Merkel spricht von Strukturen, „die wir uns so nicht vorgestellt haben.“ und einer „Schande für Deutschland“. Da kann man ihr nur zustimmen. Die Frage bleibt, konnte oder wollte man sich diese Strukturen nicht vorstellen. Kurze Rückblende:
Noch im Sommer wurden Pläne von Familienministerin Schröder zur Mittel-Kürzung bei Programmen gegen Rechtsextremismus bekannt und ein rechtsextremer Anschlag wie in Norwegen für unmöglich erklärt. Schon Anfang des Jahres wollte Frau Schröder die Initiativen gegen Rechts einer stärkeren Kontrolle auf Linksextremismus unterziehen. Im Herbst dann wurden die ohne Zweifel sinnlosen Autozündeleien und Bahnsabotagen vor allem in Hamburg und Berlin (von denen längst nicht alle politisch motiviert waren) politisch instrumentalisiert um die Aufmerksamkeit auf die vermeintlich so gefährliche linksextreme Szene lenken: Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sah gar den Linksextremismus zu einem Links-Terrorismus im Stile der 70iger Jahre eskalieren und sagte:
„“Der Weg von Brandanschlägen zu gezielten Mordanschlägen ist nicht weit.“
Der Weg von Brandanschlägen zu gezielten Mordanschlägen ist wahrlich nicht weit, wenn die eigene Ideologie aus einem Cocktail aus Menschenverachtung, Hass und Gewalt besteht und sich in der Jagd auf unschuldige Minderheiten entlädt, wie sie regelmäßig von rechten Dumpfbacken überall in Deutschland betrieben wird. Wie kann es sein, daß man auf der einen Seite alle Alarmglocken läutet um völlig übertrieben wegen brennender Autos Panik vor einer neuen RAF zu schüren, um gleichzeitig auf der anderen Seite über den braunen Sumpf – und seine seit 1990 150 Todesopfer!!! siehe Interview – dezent den Mantel des Schweigens zu legen. Ist das nur politischer Opportunismus oder Kalkül? So lange nur mein Auto heil bleibt kann der braune Mob ruhig machen, was er will? Dazu ein Ausschnitt aus dem fast prophetischen Interview des Historikers und Journalisten Martin Jander im Gespräch mit tagesschau.de vom 21.10: „Ein öffentliches Schüren von Hysterie“
tagesschau.de: Der niedersächsische Innenminister, Uwe Schünemann, hat aber die aktuellen Brandanschläge auf die Bahn mit dem Terrorismus der Siebzigerjahre verglichen. Sind solche Vergleiche überhaupt sinnvoll?
Jander: Wenn Sie mich fragen: Das ist ein öffentliches Schüren von Hysterie für das es keinen fundierten Ansatz gibt. Das sollte man besser lassen.
tagesschau.de: Trotzdem führen Politiker und Polizisten nun eine Debatte über einen „neuen Linksterrorismus“.
Jander: Das halte ich ehrlich gesagt für vorgeschoben. Seit die schwarz-gelbe Koalition regiert, gilt die Parole „rechts = links“. Das halte ich zum einen für vollkommen falsch, zum anderen für gefährlich. Wenn nun Politiker eine Linksterrorismusdebatte führen, dann setzen sie damit die linke Gewaltbereitschaft einmal mehr auf eine Stufe mit der rechten. Und das bedeutet auch, dass bestimmte Politiker hier gegenüber dem Rechtsterrorismus beide Augen sehr fest zudrücken, indem sie ihn relativieren.
tagesschau.de: Inwiefern?
Jander: Zwischen links und rechts gibt es einen wesentlichen Unterschied: Seit dem 3. Oktober 1990 hat es rund 150 Todesopfer von rechtsradikal motivierten Straftaten gegeben. Sie wurden totgeprügelt, verbrannt, und anderes. Auf der linken Seite gibt es Auseinandersetzungen mit Polizisten, es gibt in Berlin diese Truppe, die Autos anzündet. Aber Todesopfer durch linke Gewalt gab es in den vergangenen 20 Jahren meines Wissens nach nicht.
Der nicht unter Kommunismus-Verdacht stehende Journalist Ulrich Kienzle meinte gestern im NDR zurecht, es sei undenkbar, daß Linksextremisten oder fanatische Muslime über mehr als 10 Jahre in Deutschland rauben und morden könnten, ohne bei den Ordnungshütern auch nur einen Verdacht zu wecken. Während wegen der vermeintlichen Bedrohung durch Taliban oder neue Baader-Meinhofs unsere bürgerlichen Freiheiten beschnitten werden, darf sich der nationalsozialistische Untergrund ungestört austoben.
Auch wenn der Verfassungsschutz nichts gewusst hat (was nicht wirklich glaubwürdig erscheint), so hat sich er sich ebenso wie die Regierung in jedem Fall der Inkompetenz, Untätigkeit und Verharmlosung schuldig gemacht. Aber was will man erwarten bei einem Innenminister der CSU, die ja in Sachen Verharmlosung rechter Gewalt und Anbiederung an rechte Wähler eine lange Tradition hat. So wurde dem damaligen Innenminister Beckstein im Prozess gegen Hans Söllner (2004) von dem zuständigen Richter Hundhammer von der Strafkammer des Landgerichts München attestiert, die „Ausländerpolitik des Herrn Beckstein war früher objektiv geeignet, Ausländerfeindlichkeit in einem Teil der Bevölkerung zu schüren“ und Hans Söllner deswegen freigesprochen.
Aus gegebenem Anlass daher ein alter, aber immer noch hochaktueller Song von Hans Söllner:
Hans Söllner-Der Huaba by TRIKONT